Bei der sechsten Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Geschichte und Theorie der Biologie vom 27. bis 29. Juni 1997 in Tübingen steht die Ethik in den Biowissenschaften im Mittelpunkt. Die Schwerpunktthemen der Tagung unter der Leitung von Prof. Dr. Eve-Marie Engels, Inhaberin des Lehrstuhls für Ethik in den Biowissenschaften an der Universität Tübingen, und Prof. Dr. Hans-Jörg Rheinberger vom Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte in Berlin sind: Evolution, Ethik und Genethik; Naturschutz und Ethik; Eugenik; Versuche am Menschen; Neodarwinismus und sowjetische Biologie und Soziobiologie.
Die biologische Wissenschaft hat in diesem Jahrhundert unter den Naturwissenschaften zunehmend an Bedeutung gewonnen. Im 19. Jahrhundert und in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts bestanden die Neuerungen in der Biologie vor allem in der Theoriebildung. Durch die experimentellen Fortschritte in den letzten Jahrzehnten und die Entschlüsselung des Genetischen Codes hat die Biologie jedoch die Grundlage für neue Technologien geliefert und sich eine Vormachtstellung in Wissenschaft und Alltag erobert. Die Biowissenschaften haben dabei das Bild von der Natur und dem Menschen seit dem letzten Jahrhundert stark verändert und zahlreiche ethische Diskussionen ausgelöst. Bei der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Geschichte und Theorie der Biologie sollen einige Schwerpunkte dieser Diskussionen bearbeitet werden.
Unter dem Begriff "Ethik der Biowissenschaften" werden zwei verschiedene Diskussionen geführt. Zum einen beschreibt der Begriff in der sogenannten "angewandten Ethik" die ethische Auseinandersetzung mit biologischen Theorien über den Menschen und die Natur und zum Beispiel auch die modernen Biotechnologien. Zum anderen ist mit "Ethik der Biowissenschaften" auch die Formulierung ethischer Grundsätze auf der Basis biologischer Theorien vom Menschen und der Natur gemeint. Dieser Ansatz liegt unter anderem Bereichen wie der Humanethologie und der Humansoziobiologie zugrunde. Beide Bedeutungen der "Ethik der Biowissenschaften" sollen bei der wissenschaftstheoretischen Diskussion einbezogen werden.
Viele der heute diskutierten, ethischen Probleme in der Biologie und Biotechnologie werden in einem historischen Zusammenhang gesehen und sind dadurch mit Ängsten besetzt. So werden zum Beispiel immer wieder Parallelen zwischen den Möglichkeiten der Gentechnologie und den nationalsozialistschen Programmen der Eugenik und Rassenhygiene gesehen. Bei der Tagung soll daher auch die historische Dimension ethischer Fragen zur Sprache kommen, um Unterschiede und Ähnlichkeiten damaliger und heutiger Diskussionen und Programme zu verdeutlichen.
Die Deutsche Gesellschaft für Geschichte und Theorie der Biologie (DGGTB) wurde als erste gesamtdeutsche Gesellschaft dieser Art nach der Wende 1991 in Jena gegründet. Im geteilten Deutschland hatte es zuvor zwei verschiedene Zusammenschlüsse gegeben: Mitte der siebziger Jahre wurde im Westen der "Arbeitskreis Biologie-Geschichte" gebildet, in der ehemaligen DDR enstand Mitte der achtziger Jahre im Rahmen der Biologischen Gesellschaft die Arbeitsgruppe für "Theorie und Geschichte". Zwischen den beiden Gruppen gab es seit 1982 Verbindungen, die nach der Wiedervereinigung am 29. Juni 1991 zur Gründung der gesamtdeutschen Gesellschaft für Geschichte und Theorie der Biologie führten.
Im Rahmen der Tagung gibt es außerdem einen öffentlichen Vortrag zum Thema "Ethik und biologische Utopie" von Prof. Dr. Eve-Marie Engels am Freitag, 27. Juni, um 19 Uhr im Kupferbau, Hörsaal 22.
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